Diskussionen und Entscheidungen zu komplexen Infrastruktursystemen erfordern ein gründliches Verständnis des Systems und der beteiligten Prozesse. Um eine solide Grundlage für informierte Diskussionen und von den Stakeholdern mitgetragenen Entscheidungen zur Verfügung zu stellen, wurde im Arbeitspaket 4 ein Infrastruktursystemsimulator entwickelt, der es erlaubt, das gesamte urbane Wassersystem in einem einzigen Simulator zu repräsentieren. Dieser umfasst also Module für Wasserentnahme, Trinkwasseraufbereitung, Wasserversorgung, Verbrauch, Abwasseranfall, -reinigung und Entlastung, um nur einige zu nennen). Dieser Simulator erlaubt die Auswertung von Szenarien und die multikriterielle Bewertung potenzieller Handlungsoptionen; somit können verschiedene Optionen miteinander verglichen und informierte Entscheidungen unterstützt werden. Damit bildet die Modellierung ein Kernelement der LiWa-Methodik und des LiWa-Projektes. "LiWatool" ist ein Stand-alone-Programm, das ohne kostspielige Drittsoftware auskommt. Es verwendet das (von der Microsoft-Webseite kostenlos downloadbare) Microsoft .NET Framework 4.
Die Makromodellierung, so wie sie in LiWa entwickelt und angewendet wird, basiert auf den Konzepten der Stoffstrommodellierung und der Materialflussanalyse (vgl. z. B. Baccini und Bader, 2006). Diese Grundkonzepte wurden jedoch in vielfältiger Weise erweitert. Der im LiWa-Projekt entwickelte Infrastruktursystemsimulator (Arbeitstitel: „LiWatool“) stellt die Kernelemente des urbanen Wassersystems (z. B. Trinkwasseraufbereitungsanlagen, Grundwasserbrunnen, Trinkwassernetz, Stadtbezirke, Abwasserhauptsammler, Kläranlagen) als Blöcke dar (siehe z. B. Schütze und Robleto, 2010). Diese werden über Stoffstromverbindungen (z. B. Wasser-, Abwasser- und Nährstoffströme) mit einander verbunden. Naturgemäß sind Stadtteile durch viele Parameter charakterisiert, wie z. B. Einwohnerzahl, Verteilung auf sozioökonomische Schichten, Verbrauchsgewohnheiten, Leckageverluste). Auch Wasserqualität und Energieflüsse werden berücksichtigt. Da jeglicher Vergleich von Handlungsoptionen auch eine Kostenbewertung mit einschließt, können Kosten (Investitions- und Betriebskosten, sowie ihre Untergruppierungen entsprechend der vom Anwender verwendeten Kostenkategorien) berücksichtigt werden. Eine Vielzahl von Ausgabeoptionen (z. B. Zeitreihenkurven, Sankeydiagramme, numerische und textuelle Ausgabe, aber auch Exportfunktionen nach Excel) kommen zur Anwendung. Somit können die Resultate der Simulation die Stakeholderdiskussionen von Szenarien und Handlungsalternativen unterstützen und so eine – von Partikularinteressen freie – neutrale Analyse von Handlungsoptionen ermöglichen. Der Simulator ist durch eine hohe Flexibilität gekennzeichnet – sämtliche Parameter, Variablen, Module und Prozesse können vom Nutzer frei definiert und modifiziert werden. Dies ermöglicht auch die Übertragbarkeit auf andere Städte. Weitere Anwendungen befinden sich bereits in Vorbereitung. Vor Ort durchgeführte Trainingskurse stellen sicher, dass der Wassersimulationssimulator auch nach Projektende vor Ort weiter gepflegt und angewendet wird.
Des Weiteren wird auch die Detailmodellierung von Einzelanlagen betrieben, um so auch das Potenzial von dynamischer Modellierung für den Entwurf und Betrieb aufzuzeigen.
Auch wenn der Infrastruktursystemsimulator für beliebige urbane Infrastruktursysteme angewendet werden kann, so bildet seine Anwendung auf das Wassersystem Limas naturgemäß eine zentrale Rolle der Modellierungsaktivitäten im LiWa-Projekt. Das urbane Wassersystem von Lima und Callao wurde in verschiedenen Detailstufen dargestellt, die unterschiedliche Anwendungen erlauben (Szenarioauswertung, Unterstützung detaillierter Planungen des Wasserunternehmens).
Abbildung 1 zeigt einen Auszug aus der Blockbibliothek, die für allgemeine Wassersysteme erstellt worden ist. Demgegenüber illustriert Abbildung 2 ein einfaches Beispiel der Makromodellierung für die Szenarienauswertung in Lima. Für die Darstellung des Systems im Modell wurden unterschiedliche Blöcke (Module) entworfen und benutzt (u. a. Grundwasserbrunnen, Wasseraufbereitungsanlagen, Stadtbezirke usw.). Die Abbildung zeigt Simulationsergebnisse, die als Sankeydiagramm die wichtigsten Ströme des Trinkwasserhaushaltes zeigen (Grundwasserentnahme, Wasseraufbereitung usw.).
Abbildung 1: Auszug aus der Basisbibliothek für Wassersysteme
Abbildung 2: Anwendung von LiWatool auf Lima und Callao (Grobmodell)
Am Modellaufbau sind zum einen die verschiedenen Abteilung des Wasserunternehmens SEDAPAL beteiligt (Zuarbeit von Daten und Informationen; Plausibilitätskontrollen; Anwendung). Zum anderen sind eine Anzahl von Stakeholdern (Wasserunternehmen, Regierungsbehörden, Hochschulen, Nichtregierungsorganisationen) an der Diskussion von Modellergebnissen beteiligt. Damit hat dieses Arbeitspaket Ergebnisse auf zwei Ebenen: Zum einen, einen (auch auf andere urbane Systeme übertragbaren) Simulator, zum anderen seine Anwendung auf das Wassersystem der Metropole Lima, für das er die Diskussion und Auswahl von Maßnahmenpaketen im Rahmen eines partizipativen Prozesses unterstützt. Hierzu gehört auch die Anwendung des Simulators zur Auswertung der in Arbeitspaket 2 aufgestellten Szenarien der künftigen Entwicklung von Lima und Callao.
Der Simulator des Wassersystems Limas greift auf die in Arbeitspaket 3 gewonnenen Ergebnisse der Klima- und Einzugsgebietsmodellierung zurück, um die in Arbeitspaket 2 aufgestellten Szenarien potenzieller künftiger Entwicklungen in Lima auszuwerten. Diese Simulationsergebnisse sind in die Diskussions- und Entscheidungsprozesse der Runden Tische (vgl. Arbeitspaket 5) eingegangen. Hierbei dient der Wassersystemsimulator als Kernhilfsmittel für informierte Diskussions- und Entscheidungsprozesse. Da auch finanzielle Aspekte in diesen Auswertungen eine Rolle spielen, werden die in Arbeitspaket 7 analysierten Wassertarifstrukturen in den Simulationen und ihrer Auswertung ebenfalls mit berücksichtigt. Ebenso wird die in Arbeitspaket 9 durchgeführte Analse der urbanen Grünflächen durch LiWatool unterstützt. Spezielle Trainingsmaßnahmen zur Modellierung unterstützen die kapazitätsbildenden Maßnahmen des Arbeitspaketes 6 im akademischen und beruflichen Sektor.
Literatur:
Baccini, P., Bader, H. (2006): Regionaler Stoffhaushalt, Springer, Heidelberg, Berlin, Oxford
Schütze, M. (2012): Water and Wastewater Management in Megacities – How can a city prepare itself for the future? A project in Lima/Peru. gwf Wasser/Abwasser, S1/2012, 64-68
Schütze, M., Robleto, G. (2010): Challenges of water and wastewater management in the desert megacity of Lima/Peru - how can macromodelling help? NOVATECH, 7th International Conference on Sustainable Techniques and Strategies in Urban Water Management. Lyon, 28.06.-01.07.2010
Schütze, M., Robleto, G., León, C., Rodríguez, I. (2011): Modelling and scenario building of urban water and wastewater systems – Addressing water shortage in Lima. Keynote lecture. 12th International Conference on Urban Drainage. Porto Alegre, 11.-16.09.2011
Kontakt: Manfred Schütze; Ifak Magdeburg e.V.